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Brandbrief an die Berliner Politik: Kürzung des schulischen Verfügungsfonds

Sehr geehrte Damen und Herren, werte Politikerinnen und Politiker,


ich bin eine Berliner Lehrerin und Mutter von vier schulpflichtigen Kindern. Mit Entsetzen habe ich gelesen, dass der Verfügungsfonds der Berliner Schulen von der Bildungsverwaltung radikal gekürzt worden ist. Wieder einmal, muss ich leider sagen, denn seit Jahren belasten massive Einsparungen unser ohnehin marodes Bildungssystem.

Diese Entscheidung fällt zu einer Zeit, da viele Eltern zu müde sind, um ihrer Wut Ausdruck zu verleihen. Seit zwei Jahren nagt die Corona Pandemie an den Kräften von Familien, die von sämtlichen Einschränkungen besonders hart getroffen wurden. Homeschooling, Wechselunterricht und Kontaktbeschränkungen mussten von Eltern umgesetzt werden, die dabei oft an ihre eigenen physischen und psychischen Grenzen gestoßen sind. Dabei haben immer mehr Eltern die geballte Faust in der Tasche. Denn sie werden nicht gesehen - und ihre Kinder schon gar nicht.


Dabei ist es ja nicht so, als ob prinzipiell kein Geld in Berlin vorhanden wäre. Es ist einfach eine Frage der Prioritätensetzung, an welcher Stelle es investiert wird. Kinder und Bildung scheinen bei den Entscheidungen des Senats offensichtlich eine sehr untergeordnete Rolle zu spielen.


Wissen Sie, werte Verantwortliche, denn eigentlich, wie katastrophal die Zustände an vielen Berliner (und natürlich auch bundesweiten) Schulen bereits sind? Wie seit Jahren nur noch von Lehrern der Mangel verwaltet wird, weil einfach keine Gelder fließen. Weil Bildung nicht nur keine Priorität hat, sondern fast gänzlich vernachlässigt wird. Ich gebe Ihnen da gerne ein paar Beispiele aus meiner persönlichen Erfahrung:


  • Kopierpapier gibt es nur noch rationiert, für Mehrbedarf müssen Eltern kontaktiert werden

  • Dringend benötigte Doppelsteckungen (zwei Lehrer bzw. Erzieher pro Klasse) finden reell nicht statt, da sie zumeist wegen Personalmangel aufgelöst werden

  • Kinder leiden unter Verstopfungen, weil sie die veralteten, dreckigen Schultoiletten nicht benutzen mögen

  • Eltern kaufen Farbe und streichen in ihrer Freizeit Klassenzimmer, damit ihre Kinder nicht in dreckigen Räumen lernen müssen

  • Lehrer schaffen nötiges Material auf eigene Kosten an, um zeitgemäßen Unterricht abhalten zu können

  • W-Lan ist nach wie vor ein Fremdwort an diversen Berliner Schulen

  • Die Wartung der kompletten IT der Schule wird oft freiwillig von einem Kollegen übernommen, um die wenigen Geräte überhaupt am Laufen zu halten

  • Einige Schulen haben für ihre Schüler nur ein Drittel der vom Senat versprochenen Tablets erhalten. Zitat: Mehr kommen nicht, die müsst ihr irgendwie aufteilen. Wie soll das Bitteschön gehen?

  • Die Liste könnte beliebig erweitert werden. In 15 Jahren Berliner Schule gibt es keine Absurdität, die ich nicht gesehen hätte.

Wie stellen Sie, liebe Verantwortliche, sich das eigentlich im Schulalltag vor? Es muss doch klar sein, dass unter diesen Bedingungen nicht alle Schülerinnen und Schüler optimal gefordert und gefördert werden können. Es ist absehbar, dass Kinder, deren Eltern die Defizite des Schulsystems nicht abfedern können, den Anschluss verlieren werden. Ihnen fehlt schlichtweg die Bildung, um im späteren Berufsleben mithalten zu können.

Die viel zitierte Schere im Bildungssystem öffnet sich somit immer weiter. Diese Art der Sparpolitik nimmt das billigend in Kauf. Es ist unfassbar, wie viel Potenzial von Schülerinnen und Schülern hier sehenden Auges vergeudet wird. Unsere Kinder sind unser höchstes Gut, sie sind die Demokraten von Morgen. Gerade jetzt erleben wir wie nötig es ist, dass unsere Demokratie auf festen Grundpfeilern steht. Schulische Bildung hat die Pflicht, dafür die Basis zu schaffen. Mit den aktuellen Einsparungen erschweren sie diesen Bildungsauftrag massiv.


Die Bildung unserer Kinder muss Priorität haben. Ohne die klugen Köpfe von morgen wird es Deutschland nicht gelingen, Herausforderungen wie z.B. politische Veränderungen oder die Klimakrise zu meistern. Dafür braucht es finanzielle Mittel und es braucht die Eigenverantwortung von Schulen, um Veränderungen umsetzen zu können. Diese Eigenverantwortung wird mit einer Reduktion des Verfügungsfonds auf bis zu 3000€/ Schule quasi unmöglich gemacht.


Ich spreche hier stellvertretend für viele Eltern, die meiner neu gegründeten Initiative MISSION BILDUNG auf meinen Social Media Kanälen und online bereits folgen. Wir sind es leid, dass unsere Kinder nicht gesehen werden, dass sie ganz unten in der Prioritätenliste stehen und ihnen somit Chancen verbaut werden. Und genau das tun Sie mit den aktuellen Kürzungen. Deutschland kann es sich schlichtweg nicht erlauben, im Bildungssektor auf dem niedrigen Niveau wie bisher weiterzumachen, geschweige denn dieses noch zu verschlechtern. Wir werden nicht ruhen, ehe Sie endlich die Wichtigkeit der Schulbildung für unsere Kinder erkennen und entsprechend finanziell unterstützen.


Mit freundlichen Grüßen

Viola Patricia Herrmann

MISSION BILDUNG

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