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Belohnungen beim Lernen: Sinnvoll oder Zerstörer der intrinsischen Motivation?


Vor Kurzem las ich einen Artikel darüber, dass Belohnungen ein gänzlich falsches Instrument beim Lernprozess von Kindern seien. Die Autorin erklärte, dass jedwede Belohnung - egal ob im Klassenzimmer oder Zuhause - bei Kindern unmittelbar dazu führen würde, dass diese ihren eigenen Antrieb zum Lernen verlieren würden. Ist das so?


Erfahrung mit meinen vier Kindern


Meine Zwillinge lieben ihre Mimi. Mimi ist die kleine Katze, die sie in der 1. Klasse durch ihren Leselehrgang in der Fibel begleitet. Mimi gibt es auch als Stempel und diesen erhalten die Schüler, wenn sie laut vorgelesen haben. Meine Mädels sind unsagbar stolz auf ihre Mimi Stempel, auch wenn sie unterschiedlich viele erhalten haben. Sie sind stolz, weil sie den Stempel erhalten haben UND weil sie sich getraut haben vorzulesen.


Diese Mimi Stempel sind Belohnungen und für meine Kinder funktionieren sie. Sie lesen nicht nur für einen Stempel vor, aber dieser motiviert sie zusätzlich den Arm im Unterricht zu heben. Er erstickt ihre intrinsische Motivation also nicht - wie von der Autorin befürchtet - sondern fördert sie. Lernen ist für sie eine innere Freude, weil sie spüren, wie sie sich zunehmend in der Welt orientieren können. Die Belohnung von Außen ist lediglich ein weiterer Anreiz, nicht aber der alleinige Grund für ihre Bemühungen.


Das Argument, dass einige Kinder diese Belohnung auf Grund ihrer Leistungen nie erreichen würden, ist weder pauschal richtig noch falsch. Hier obliegt es dem pädagogischen Fingerspitzengefühl des Lehrers, jeden Schüler in seinen individuellen Anstrengungen zu honorieren. Fehlt es einigen Lehrern an diesem Fingerspitzengefühl? Ja, natürlich gibt es diese Kollegen und somit Schüler, die während ihrer schulischen Laufbahn unangenehme Erfahrungen mit unpädagogischem Feedback machen müssen. Dies ist jedoch nicht nur bei (fehlenden) Belohnungen der Fall, sondern ein allgemeines Kommunikationsproblem der betreffenden Lehrer.


Aus meiner Erfahrung als Mutter von vier schulpflichtigen Kindern kann ich sagen, dass die meisten Lehrer sich um einen positiven Blick auf ihre Schüler bemühen. Egal ob Stempel oder ein Lob: Meine Kinder haben sich stets über die Anerkennung ihrer Arbeit gefreut und sind dadurch zu weiterem Engagement angespornt worden.


Belohne ich als Mutter gute schulische Leistungen? Jein. Meine Kinder bekommen keine Geschenke versprochen für tolle Zensuren. Sie erhalten keine 5€ für jede 1. Aber dennoch ist ihnen eine Belohnung bei jedem Lernerfolg gewiss: Meine aufrichtige Freude, ein extra dicker Drücker und high five! Ich weiß nämlich, dass sich meine Kinder für ihre Leistungen anstrengen müssen, sie sind keine Schüler denen die guten Noten einfach so zufliegen. Meine Freude spiegelt ihre Freude und ich versichere ihnen, wie stolz sie auf sich sein können. Das lässt sie innerlich wachsen und sie erleben diesen Moment des Erfolgs ganz bewusst als ihre eigene Leistung.


Sofern sich Kinder sicher und geliebt fühlen, wächst durch diese Form der Belohnung ihre intrinsische Motivation. Gerade zurückhaltende Kinder brauchen diese Unterstützung von außen, um sich selber Anerkennung zollen zu können. Natürlich ist es erstrebenswert, unabhängig von der äußeren Meinung seinen Lernweg zu verfolgen und den eigenen Prozess für sich selbst zu reflektieren. Aber mal ehrlich: Wie viele Erwachsene können das, was an vielen Stellen von Kindern bereits gefordert wird?


Meine Erfahrung als Lehrerin


Je jünger das Kind ist, desto mehr lernt es für seinen Lehrer oder seine Lehrerin. Das kann man als Eltern/Pädagogen/Bildungsexperten gut oder schlecht finden - es ist die Erfahrung, die ich in knapp 20 Berufsjahren gemacht habe. Kinder verschenken gerade in den unteren Klassen ihr Herz sehr schnell an den Klassenlehrer, malen ihm (oder ihr) Bilder und möchten durch ihre Leistung positiv auffallen. Als Lehrerin ist es meine Aufgabe, das Kind anzunehmen, es in seiner Individualität zu stärken und sein Leistungsvermögen zu steigern. Das gelingt durch positive Ansprache, kleine Lernanreize wie z.B. Sticker oder auch im Klassenverbund erarbeitete Spielzeit.


Sind diese Zuwendungen Belohnungen, die letztlich manipulativ wirken? Nein, sind sie nicht. Sie sind erstrebenswerte Sahnehäubchen, die eigene Bemühungen bestärken sollen. Der Antrieb für diese Bemühungen ist in jedem Kind angelegt, denn Kinder sind von Natur aus wissbegierig und lernfreudig. Als Lehrerin muss ich erkennen, wie ich die Stärken meiner Schüler fördern und ihre Schwächen umwandeln kann. Belohnungen können dabei helfen, ein positiveres Selbstbild zu entwickeln. Das führt wiederum dazu, dass sich ein Kind mehr zutraut und auch bereit ist, vermeintliche Schwächen (z.B. beim Rechnen, Übersetzen oder freien Schreiben) mit mehr Mut anzugehen.


Ich liebe es zu sehen, wie Kinder geistig wachsen, sich entwickeln und über die Jahre hinweg ihr Potenzial langsam entfalten. Belohnungen, vor allem verbaler Art, sind für mich ein grundlegendes Mittel, um Kinder auf ihrem Weg zu unterstützen. Jedes Kind hat Talente, die man als Lehrer hervorheben kann. Von daher ist es durchaus möglich, Belohnungen in der Schule weitgehend gerecht zu verteilen.


Problem Schuldgefühle


Wenn ich also nun lese, dass Belohnungen falsche Impulse setzen würden, dass sie die eigene Motivation kaputt machen und das Kind nur noch für äußere Anreize arbeiten lassen, dann kann ich das aus meiner Erfahrung nicht bestätigen. Ich finde es zudem schwierig, weil dadurch vielen Lehrern und Eltern suggeriert wird: Auweia, das hast du bisher falsch gemacht. Oh oh, nicht gut, eventuell hast du jetzt schon viel bei deinem Kind kaputt gemacht. Das löst bei den Betroffenen Schuldgefühle aus, die ich als unfair empfinde. Es kann aus meiner Sicht nicht falsch sein, das eigene Kind oder den eigenen Schüler bei seinem Lernprozess durch positive Verstärkung zu unterstützen. Und nichts anderes sind Belohnungen.


Natürlich kann es nicht darum gehen, für jede Kleinigkeit eine Belohnung auszuloben - weder Zuhause noch in der Schule. Dadurch würde die Wertigkeit der Belohnung verloren gehen und somit auch ihr motivierender Effekt. Doch so lange Belohnungen nicht inflationär, sondern als besondere Anerkennung vergeben werden, können sie den Lernprozess eines Kindes durchaus positiv beeinflussen.







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